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November / Dezember

Node

11.11.23 - 31.12.23


Der Blick schwindelt, rotiert um die eigene Achse, fällt nach hinten,
nach vorne, bleibt auf dem Steinboden liegen. Kaum mehr über dem
Boden ist er auf der Suche, umringt den Ausstellungsraum, dringt ein
und springt dann wieder nach draußen. Nur der Blick schafft es durch
die geschlossene Glasarchitektur, fällt auf die Dinge im Innern, beobachtet
selbst und wird beobachtet. Ist das eine Kamera? Die Linse
schaut zurück aus dem Dunkel, ihr mechanisches Auge richtet den
Blick auf die Betrachter:innen. Seltsam beobachtet fühlt man sich in
der Stadt, besonders an verkehrstechnischen Knotenpunkten.


Ein Spiegel hängt an der Decke, ist nur mittels eines dünnen Fadens
befestigt. Die Luft zirkuliert, lässt den Spiegel behutsam um die eigene
Achse rotieren, in zufälligem Muster von vorne nach hinten, von links
nach rechts wandern. Vor dem Beginn der Ausstellung schaute eine
Kamera in den Spiegel, fokussierte aus einem spezifischen Blickwinkel
die direkte Umgebung rund um das Glashaus. Ein Projektor
ersetzt nun die Kamera, richtet sich bei näherer Betrachtung an der
Bodenstruktur des Platzes aus, wirft sein Licht an selber Stelle auf den
Spiegel. Dieser projiziert das zuvor aufgenommene Video auf die
Pflastersteine, bedeckt den Grund innen wie außen mit bewegten
Bildern. Die Kamera tastete den Platz ab, legt jetzt ihr gesammeltes
Material offen.Wie ein Rückspiegel wirft die spiegelnde Oberfläche den
Blick an exakt den Ort zurück, auf welchen die Kamera ihr mechanisches
Auge richtete.Wer aber schaut hier auf wen?

Blickt die Kunstinnerhalb der gläsernen Wände des Palace auf die Menschen in derUmgebung oder sind es die Menschen,

welche die Kunst im Palace betrachten?


Hell strahlt die Videoarbeit aus dem Ausstellungsraum, illuminiert Teile
des Worringer Platzes, gibt durch Spiegel und Kameralinse gefallenes
Licht wieder. Der Platz bildet einen Knotenpunkt innerhalb der Stadt,
treffen hier doch unterschiedlichste Einflüsse aufeinander. Ein Knotenpunkt wie die mit „Node“ betitelte Ausstellung, die zwei scheinbar nicht
zu vereinende Sphären miteinander verbindet, sich mühelos in Zeit
wie Raum vor- und zurückbewegt. Vergangenheit und Gegenwart verschränken sich miteinander, wenn Künstlerin Swinda Oelke gleich zwei
verschiedene Zeitlichkeiten zusammenführt, in nunmehr ein Zeit-Raum-
Gefüge verwandelt. Auch der Beamer bildet einen Knotenpunkt, wenn
er von mehreren Fäden am Glashaus abgespannt ist,

wie ein Insekt im Zentrum sitzt.

 

Der Titel verweist zudem auf die digitale Weiterverarbeitung
von Bildmaterial. Denn Nodes stellen in Video-Schnitt- oder
3D-Visualisierungsprogrammen Verknüpfungspunkte bzw. die Struktur
der Bearbeitungsschritte dar. Im Loop abgespielt lässt sich kein Anfang
und kein Ende der experimentell angelegten Video-Installation ausmachen,
so wie die Zeit selbst auch keinen Anfang und kein Ende besitzt.

 

Nicht erst seit George Orwells „1984“ beschäftigt uns die Angst vor
einer Überwachungsgesellschaft, welche einen Nebeneffekt der
rasanten technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte darstellt.
Vielleicht ist es auch die konsequente Weiterentwicklung zunehmender
Digitalisierung, wenn Überwachung und Kontrolle nicht nur einfacher,
sondern Teil des Konsums selbst werden. Immer häufiger begegnen
uns Kameras im öffentlichen Raum, patrouilliert alle paar Minuten das
Ordnungsamt über den Worringer Platz. Zu Beginn eines jeden neuen
Projektes werden jegliche Eigenheiten des jeweiligen Ortes von der
Künstlerin registriert. Denn nicht erst seit ihrem Abschluss als Meisterschülerin bei Prof. Franka Hörnschemeyer an der Kunstakademie
Düsseldorf im vergangenen Jahr unterziehen ihre ortsspezifischen
Arbeiten Ausstellungsorte sowie Infrastrukturen einer genauen Untersuchung, reflektieren die eigene Produktion, verhandeln Inner- und
Äußerlichkeiten. Dabei rücken sie zufällig entstehende ephemere
Bewegungen, kleine visuelle Phänomene in den Fokus

der Betrachtung. All die Dinge, welche uns die ganze Zeit

umgeben und doch zumeist im Verborgenen liegen,

uns gleichsam zu beobachten scheinen.

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Die Künstlerin Swinda Oelke lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, wo sie ihr Studium als Meisterschülerin von Prof. Franka Hörnschemeyer im Sommer 2022 abschloss. Oelke ist Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes, der Konrad-Krieger-Stiftung und der Staff-Stiftung. 2022 wurde ihre Arbeit mit dem Abschlusspreis der Freunde und Förderer der Kunstakademie Düsseldorf ausgezeichnet. 2023 nahm sie am Residency-Programm der Villa Filanda Antonini in Treviso (It) teil. Zuletzt waren ihre Arbeiten im Marburger Kunstverein, KIT-Kunst im Tunnel Düsseldorf, LVR-Niederrheinmuseum Wesel und im Kunstmuseum Solingen zusehen.

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Artist: Swinda Oelke

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Text: Julia Stellmann

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Foto: Christian Ahlborn

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Plakat: RUNNING WATER

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Die Ausstellung wird gefördert durch:

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