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November 2022

Geister

Geister sind entkörperlichte und fluide Erscheinungen. Nicht mehr als Luftzüge oder Windstöße, die ihre Anwesenheit seit jeher den Visionen und imaginierten Bildern menschlicher Erzählungen verdanken. Sie manifestieren sich in der Unschärfe, zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit und streifen uns fast unmerkbar.

Dennoch hinterlassen Sie Schockwellen, die nur langsam verklingen.


Daniel Nehring bringt in seiner Arbeit Geister, diese flüchtigen Formen, zur Kristallisation. Die Übersetzung von Körpern in digitale 3D-Modelle ermöglicht es ihm, die Parameter naturgetreuer Darstellung ebenso zu untersuchen, wie zu verschieben. In einer morphenden Choreografie bringt er bestehende 3D-Modelle menschlicher Büsten und selbst erstellte Köpfe fantastischer Wesen zum Verschmelzen. Die Ursprünge lösen sich hier in den überblendenden Formen, Details und Oberflächen auf; die Haut verselbstständigt sich im Spiel mit den Parametern der Software. An der Grenze zwischen Fläche und Raum, Innen- und Außenwelt definiert die Haut eine Schwelle mit komplexer Bedeutung: sie öffnet sich in Daniel Nehrings Arbeit zu einem Bildraum, in dem mineralisch anmutende Anatomien und korallenähnliche Verwachsungen zu pulsieren beginnen. Im spielerischen Umgang mit den digitalen Daten und Vektoren entstehen hybride Entitäten, in denen noch die gescannten Körperoberflächen durchscheinen, während sie gleichzeitig unter mystischen, skulpturalen und geologischen Schichtungen zu Mischwesen fusionieren.


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Text: Christoph Görke

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Die Natur der Geister - Eine assoziative Betrachtung

 

Der Kopf eines Humanoiden, glatt und seidig glänzend, edel wirkend, weiß, wie Marmor. Noch frei von jeder Gestalt, beginnen kleinste Partikel sich mit anderen zusammenzuschließen. Füllen Falten und Münder, überziehen die Haut wie eine Totenmaske und beginnen ihr kristallines Leben.
In der Natur brauchen sie Platz in Klüften, Drusen und Hohlräumen, um ihre Kristallgestalt zu entwickeln. Chemismus und physikalische Bedingungen wie Druck und Temperatur steuern Ausbildung und Wachstum der Kristallformen. Hier sind die Orte ihrer Entstehung Ohren und Nasen, aus denen mal turmartige Architekturen wachsen, mal kristalline Ausstülpungen hervorquellen, mal amorphe oder metallisch glänzende Mineralbildungen.
Lippen und Zähne in halb geöffneten Mündern entpuppen sich als eine von frei gelegten Zahnstümpfen zerschnittene Landschaft. Augenhöhlen sind umkrustet von weißen spitzgratigen Kristallgebirgen. Entstehen und Vergehen finden ihren Ausdruck in konvexen und konkaven Formen.
So ist die Natur der Geisterwesen in ständiger Bewegung. Verstörend ist, wie Mimik und Gestik des organischen Lebens hier im Anorganischen ihren Ausdruck finden. Die Geister erstarren im Schrei, aber umgehend beginnt die Erosion ihres steinernen Panzers. Sie legt einen veränderten Humanoiden frei, bevor der Prozess von neuem beginnt.
Als Embryonen durchlaufen wir, wie alle Wirbeltiere, Stadien, die an Stufen unserer gemeinsamen Stammesgeschichte erinnern. Auch bei den Geistern im Werk von Daniel Nehring treten im Ablauf immer wieder Strukturen ihrer Vorgänger in Erscheinung.

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Text: Ulrike Stottrop, Geologin

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Künstler: Daniel Nehring

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Plakat: Marcel Strauß

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Social Media: Bettina Strunk

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Fotos: Gregor Guski

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Realisierung der Augenbälle in Zusammenarbeit mit Joscha Bender

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Die Ausstellung wird gefördert durch das Kulturamt Düsseldorf und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

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