April/Mai 2023
23.04.23 bis 21.05.23
Foto: Christian Ahlborn
Foto: Jana Buch
Foto: Jana Buch
Foto: Christian Ahlborn
Senfgelb und weinrot stapeln sich Kisten, bergen goldglänzende Ladung
im Innern, das wertvolle Gut der Weissagung.Was ist Glück? Findet es
sich eingeschlossen in knusprigem Gebäck? Hoffnung liegt in den
Schachteln gelagert, eingebacken in Teigwaren, wartet auf gedruckten
Zetteln als sü.es Versprechen.Wer aufgeregt die Verpackung zwischen
den Fingern knistern lässt, den Keks bricht, kann sie noch vor Auffalten
der Botschaft auf der Zunge spüren, die klebrigen Worte von Weisheit und
Wahrsagung, die vermeintlich zur Wahrheit führen.
Es sind Kartons, die Diamanten im Namen tragen, als Firmenname „Diamond“ in Versalien. Aufgedruckte Drachen bewachen die frisch gebackene Ladung, vermitteln gemeinsam mit goldener Hülle Wertigkeit, wo keine ist. Woher die Glückskekse ursprünglich stammen, ist nicht abschließend geklärt. Wahrscheinlich aber wurden sie im frühen 20. Jahrhundert von japanischen Einwanderern erfunden und in Kalifornien etabliert. Entgegen allgemeiner Auffassung führte man das Sü.geb.ck erst in den 1990er Jahren erstmals nach China aus, war dieses dort vorher völlig unbekannt, auch wenn Asiat*innen die amerikanische Exportware heute als Teil ihrer traditionellen Kultur begreifen.
In der durchfensterten Glasarchitektur des Palace aber türmen sich die
Kekse nicht als Berg von goldenen Kostbarkeiten oder liegen aufgebrochen
am Grund, sondern befinden sich noch verpackt in Transportkisten.
Der Eindruck von Lagerhallen großer Lebensmittelhändler entsteht, wird
von Überwachungsspiegeln verstärkt, als würden diese beim Be- und
Entladen helfen. Von weitem betrachtet wirkt die Arbeit im Palace zunächst
als dreidimensionales Bild, kehren die Spiegel wie in Gemälden
der Alten Meister verborgene Wahrheiten ans Licht. Sie machen die Installation von jedem Standort aus zum allansichtigen, fast kubistisch anmutenden Kunstwerk, welches wie in einer Vitrine umschlossen liegt oder
losgelöst im öffentlichen Raum platziert scheint.
„OPEN HERE“ steht in Großbuchstaben auf vorgeprägter Lasche. Sie ist
Wegweiser für das Öffnen der Pakete, Eingangstor zum im Dunkel verborgenen Schatz. Offen ist auch die Architektur des Palace, die Blicken
rund um die Uhr Einlass gewährt und doch als gläserne Wände für Neugierige unsichtbare Barrieren schafft. Gleichsam sind die Kartons im Innern sichtbar und trotzdem geschlossen. Die metallischen Verpackungen
der Glückskekse erinnern entfernt an die Beschaffenheit von Rettungsdecken, die bereits in einer Ausstellung von Künstler Sangchul Lee 2017 in Seoul Verwendung fanden. Als Kartons gestapelt wachsen die Kisten wie in einem Treibhaus bis an die vorgegebenen Grenzen, lassen an Andy Warhols Brillo-Boxen denken, die eine neue Art Realismus begründeten, alltäglichen Konsum in die Kunst überführten. Jenseits romantisch verklärte Vorstellung werden Glückskekse vollindustriell in hohen Stückzahlen gefertigt, in Großpackungen an Restaurants oder Händler geliefert, können die Käufer*innen wählen aus verschiedenen Sets von Texten. Das Versprechen von Glück wird zur standardisierten Massenware, zum Inbegriff von Konsum, das Orakel entzaubert sich.
Sangchul Lee lässt sich ein auf verschiedenste Ausstellungsorte, wenn er
sich in sie hineinfühlt, ihre Eigenschaften beobachtet und mit wachsamen
Augen kartiert. Er sieht Strukturen, Muster, Rhythmen, kehrt sie hervor
aus unbewusster Wahrnehmung, birgt sie aus lichter Finsternis. Seine
Kunst verschließt sich dem Ort nicht, sondern umarmt ihn, weitet sich von
innen in ihn aus, greift sensibel architektonische Gegebenheiten auf.
Modulare Systeme entstehen, die sich besser auf den jeweiligen Ort abstimmen lassen, sich anpassen an ihre einzigartige Umgebung. Material
und Raum stehen so in wechselseitiger Beziehung, gewinnen jenseits von
Kunst als Konsumobjekt an Neutralität. Mit durchlässigen Begrenzungen
beschäftigte sich Lee bereits früher, als er anlässlich seines Abschlusses
2018 als Meisterschüler von Franka Hörnschemeyer Bauzäune als Skulptur
im Raum platzierte oder transparenter Stoff pyramidenförmig von der
Decke hing im Düsseldorfer Offraum 8. All das gleicht einem Spiel mit dem
Vorhang, wenn er Stoffe durch gläserne Platten sichtbar oder aber ganz
im Gegenteil darunter verborgen macht. Stets kennzeichnen seine Arbeiten
zudem ein Augenzwinkern, sobald ein Feuerlöscher mittels Spiegel
zum Kunstobjekt wird oder sich Massagebälle unter schützendem Putz an
der Wand verstecken. Selbst aus Südkorea stammend, waren es nicht die Anspielungen auf die asiatische Kultur, die Lee an Glückskeksen faszinierten, sondern die Schachtel als eine Art „Weltkugel der Absurdität“. Symbole von Sehnsucht, Fantasie und Transzendenz verfälschen sich auf ihnen zu Mysterien, werden auf Konsum reduziert, welcher sich in einem ewigen Kreislauf des Begehrens ergeht, dem sich nur schwerlich entfliehen lässt. Einmal in die Fänge des Systems geraten, ist das ultimative Ziel nicht mehr Glück, sondern die Aufrechterhaltung von Status. „Diamant, Drache und Glück“ begreift den Ausstellungsraum als Schnittstelle von kultureller Vielfalt und Hierarchie, betont seine Offenheit und auch seine Grenzen.
Wem gelingt der Ausbruch aus gläsernem Gefängnis? Wer kann sich gegen Drachen behaupten, Diamanten erbeuten und letztlich zu Glück finden?
Opening: 22.04.22 um 18 Uhr
Künstler: Sangchul Lee
Text: Julia Stellmann
Fotos: Christian Ahlborn und Jana Buch
Die Ausstellung wird gefördert durch das Kulturamt Düsseldorf und Stiftung Kunstfonds NEUSTART KULTUR